Kolumne

Vom Scheitern eines Erziehungsinstituts um 1800 – Die Vettern Creuzer zwischen pädagogischen Idealen und finanziellen Notwendigkeiten

Zahlreiche von den pädagogischen Ideen der Aufklärung beeinflusste Erziehungsinstitute wurden am Ende des 18. Jahrhunderts eröffnet. Bekannte Einrichtungen waren das von Johann Bernhard Basedow gegründete Philanthropinum Dessau, das Philanthropin Schnepfental unter der Leitung von Christoph Gotthilf Salzmann oder die Erziehungsanstalt von Johann Heinrich Campe in Hamburg . Neben diesen bekannten Einrichtungen gab es eine Vielzahl kleiner Institute, die von Pfarrern oder Gelehrten geleitet wurden. Eines davon unterhielten die Vettern Creuzer in Marburg. Im Folgenden wird nicht nur der Frage nachgegangen, warum das Institut trotz eines innovativen Konzepts nur wenige Jahre bestand. Der Beitrag will darüber hinaus auch auf die besondere Bedeutung solcher privaten Erziehungsinstitute für die Bildungs-, Schul- und Universitätsgeschichte um 1800 hinweisen. Mit seinem den pädagogischen Ideen der Aufklärung entsprechenden inhaltlichen Angebot reagierte das Erziehungsinstitut der Creuzers auf sich verändernde gesellschaftliche und vor allem bürgerliche Anforderungen an Bildung und bot mit der Möglichkeit der familienanalogen Erziehung und Betreuung eine Alternative zu anderen Erziehungsinstituten. Deutlich wird am Beispiel des Erziehungsinstituts die noch nicht eindeutige institutionelle Differenzierung im Bildungsbereich, wie sie vor der Herausbildung eines modernen Bildungssystems seit Beginn des 19. Jahrhunderts bestand. So stellte das Institut weniger eine Schule als eher eine Weiterentwicklung des privaten Unterrichts durch Hauslehrer dar, bot gleichzeitig Zugang zum universitären Unterricht, ohne dass dafür eine Immatrikulation hätte erfolgen müssen. Seine Geschichte und die seines Scheiterns, die im Folgenden vor allem im Hinblick auf die beteiligten historischen Akteur*innen, ihre Pläne und Ziele erzählt wird, hält vielfältige bildungshistorische Erkenntnisse und Einsichten bereit.

Die Akteur*innen

Gegründet wurde die Erziehungsanstalt von den Vettern Christoph Andreas Leonhard[1] und Georg Friedrich Creuzer[2]. Beide waren in Marburg zur Welt gekommen. Ihre Väter waren als Buchbinder in Marburg tätig. Und auch sonst finden sich viele Gemeinsamkeiten im Lebenslauf der beiden Vettern. Sie studierten zunächst in Marburg, später dann gemeinsam in Jena. Dort wohnten sie auch zusammen im Haus eines ihrer Professoren. Während Leonhard Philosophie und Theologie studierte, wählte Friedrich Philosophie und Philologie. Bereits 1794 veröffentlichten sie gemeinsam mit Johann Carl Friedrich Hauff[3] den „Plan zur Gründung einer Erziehungsanstalt“ . Zu diesem Zeitpunkt hatten beide ihr Studium abgeschlossen. Leonhard promovierte im gleichen Jahr und arbeitete fortan als Privatdozent. Friedrich war zunächst als Hauslehrer tätig und arbeitete für einige Zeit im Erziehungsinstitut eines befreundeten Pfarrers. 1799 promovierte auch Friedrich Creuzer und war anschließend ebenso wie sein Vetter als Privatdozent an der Marburger Universität tätig. Eine weitere Gemeinsamkeit im Leben der Vettern Creuzer war die Doppelhochzeit, die im Oktober 1799 gefeiert wurde. Leonhard Creuzer heiratete die Pfarrerstochter Charlotte Lindenmeyer, mit der er acht gemeinsame Kinder hatte. Sophie Leske, geb. Müller, die Witwe eines Marburger Professors wurde Ehefrau von Friedrich Creuzer. Aus ihrer ersten Ehe brachte sie zwei halbwüchsige Kinder mit in die Verbindung, eigene Kinder hatte das Paar nicht.

Abb. 1: Bildnis Georg Friedrich Creuzer (1771-1858), 1802-1804 Professor der Griechischen Sprache in Marburg – © Bildarchiv Foto Marburg
Abb. 2: Bildnis Christoph Andreas Leonhard Creuzer (1768-1844), 1803-1844 Professor der Praktischen Philosophie in Marburg – © Bildarchiv Foto Marburg

Mit der Eheschließung gewann die Frage nach einem regelmäßigen Einkommen für die Vettern deutlich an Relevanz. Als Privatdozenten[4] der Marburger Universität bezogen beide keine feste Besoldung, sondern erhielten lediglich Zahlungen der Studenten, die die Veranstaltungen der Creuzers besuchten. Wie viele Studenten eine Veranstaltung besuchten und ob sie pünktlich zahlten, stellten Unsicherheitsfaktoren hinsichtlich des Einkommens der Vettern dar. Mit der Eheschließung hatten beide aber einen Haushalt gegründet, dessen standesgemäße Führung ein entsprechend regelmäßiges Einkommen erforderlich machte. Da weder eine freie Pfarrstelle für Leonhard Creuzer noch eine Lehrerstelle für Friedrich Creuzer verfügbar waren, erhofften sie durch die Gründung eines Erziehungsinstituts, ein regelmäßiges Einkommen zu erzielen. Dies war der Ausgangspunkt, das bereits fünf Jahre zuvor publizierte Konzept in die Tat umzusetzen.

Das Erziehungsinstitut als Familienunternehmen

Im „Kaiserlich priviligierten Reichsanzeiger“ vom 17. Januar 1800 wurde das Konzept der Vettern Creuzer für das Marburger Erziehungsinstitut erneut veröffentlicht und auf diese Weise reichsweit um Schüler geworben. Es wird darauf verwiesen, dass ein erster Plan bereits 1794 veröffentlicht und „bey mehreren vom Publicum geachteten Erziehern Beyfall fand“ , dieser aber erst jetzt in die Tat umgesetzt werden könne. Aufgenommen wurden Schüler im Alter von 9 bis 18 Jahren, die gemeinsam mit den Familien Creuzer lebten.

Bereits 1794 wurde ein Konzept des Erziehungsinstituts veröffentlicht, das auf den drei Säulen „der körperlichen, sittlich-religiösen“ und „wissenschaftlichen Erziehung“ beruhte. Ihr Ziel lag darin, ihre Schüler zu „vernünftigen, d.h. rechtschaffenen der Welt brauchbaren, und in sich selbst glücklichen Menschen zu bilden.“ , wofür auch ein gesunder Körper[5] und ein mit einem aufgeklärten Religionsverständnis[6] und praktisch-philosophischen Ideen geschulter Geist erforderlich war. Im Rahmen der wissenschaftlichen Erziehung wurde im Konzept von 1794 ausgeführt, dass das Erziehungsinstitut nicht nur zur Vorbereitung der Schüler auf ein klassisches Studium der Theologie, Jurisprudenz oder Medizin, sondern auch für Schüler geeignet sei, die beispielsweise eine Tätigkeit als Kaufmann anstrebten und für die damit andere Lehrinhalte relevant waren. Durch die Aufnahme sogenannter realer Bildungsinhalte in den Lehrplan wurde diesen Schülern ein anderes Unterrichtsangebot gemacht. Sie konnten alternativ zum Unterricht in Griechisch und Latein moderne Fremdsprachen erlernen und wurden in berufspraktischen Techniken, z.B. des kaufmännischen Rechnungswesens geschult. In der bildungspolitischen Diskussion des 18. Jahrhunderts wurde dies als Alternative zu traditionell ausgerichteten Schulen gerade von Seiten des Bürgertums gefordert und mündete in der Gründung von Realschulen im 19. Jahrhundert .

Der Schwerpunkt der Ausführungen der Vettern Creuzer im Artikel lag nicht in der Rekapitulation des Konzepts. Vielmehr stellten sie zwei zentrale Ideen vor: die Kombination öffentlicher und privater Erziehung im Institut sowie die Möglichkeit der Teilnahme entsprechend fortgeschrittener Schüler am „academischen Unterricht“ , also an Veranstaltungen der Marburger Universität. Die pädagogischen Diskussionen zu Beginn des 19. Jahrhunderts beschäftigten sich mit der Frage der öffentlichen und privaten Erziehung, dem Anspruch des Staates auf Organisation und Kontrolle der Bildung auf der einen sowie der elterlichen und kindlichen Rechte auf Bildung beziehungsweise Erziehung ohne staatliche Einflüsse auf der anderen Seite. Indem die Creuzers sowohl privaten, häuslichen Unterricht anboten, zugleich aber auch einen Zugang zum Unterrichtsangebot der Universität ermöglichten, wurde nach Ansicht der beiden Vettern „eine so glückliche Vereinigung der öffentlichen und Privaterziehung“ erzielt. Sobald die Schüler die nötigen Fähigkeiten besaßen, ermöglichte ihnen dieses Konzept einen fließenden Übergang zum Universitätsstudium.

Abb: 3: Marburg, Blick zur Alten Universität – © Bildarchiv Foto Marburg / Ludwig Bickell

Eine quasi parallele voruniversitäre und universitäre Bildung, wie sie von den Creuzers angeboten wurde, unterscheidet sich deutlich von der heutigen Differenzierung zwischen schulischer und universitärer Bildung, die für die Bildungslandschaft des 18. Jahrhunderts noch nicht konstatiert werden kann. Bevor sich ein differenziertes Bildungssystem mit klarer Abgrenzung zwischen schulischer und universitärer Bildung mit dem Abitur als Zugangsvoraussetzung im 19. Jahrhundert herausbildete, existierten vielfältige Bildungseinrichtungen, wie Ritterakademien oder Akademische Gymnasien (Gymnasium Illustre) oder auch private, wie das Erziehungsinstitut, für die keine eindeutige Einordnung als Teil einer schulischen oder akademischen Bildung erfolgen kann .

Den besonderen Vorteil ihres Konzepts sahen die Vettern darin, dass die Schüler zwar akademischen Unterricht genossen, dennoch aber in einem sozusagen behüteten Umfeld wohnten, das erzieherisch und wenn nötig auch disziplinarisch auf sie einwirken konnte.

Dies wurde erst durch die Mitarbeit der Ehefrauen der Vettern, Charlotte und Sophie Creuzer möglich. Ihre Tätigkeiten sowohl in der Organisation des Haushalts, wie der Anleitung von Dienstboten, der Beschaffung und Erzeugung von Lebensmitteln, aber auch ihre Sorgearbeit stellten neben der unterrichtlichen Tätigkeit der Vettern eine zentrale Säule des Erziehungsinstituts dar.

In der Praxis wohnten auch ehemalige Schüler als immatrikulierte Studenten in den Haushalten der Creuzers. Dies war eine durchaus übliche Wohnform für Studenten Ende des 18. Jahrhunderts. In Marburg wohnten in den 1790er Jahren ca. 10 Prozent der Studenten in Haushalten von Universitätslehrern. Gemeinsam mit der fachlichen Bildung war die charakterliche Festigung und Erziehung im Professoren- oder Privatdozentenhaushalt gewissenmaßen Teil des universitären Bildungskonzepts und wurde von den Eltern der Studenten aktiv gewünscht. Die Haushalte von Professoren und Privatdozenten wirkten somit als sozialer Stabilitätsfaktor innerhalb Universität und der Stadt. Schlägereien, unerlaubtes Jagen, Schwängerungen, übermäßiger Alkoholgenuss – am Ende des 18. Jahrhunderts waren die Klagen der Marburger Stadtbevölkerung über die Studenten vielfältig und die Annahme Creuzers, die Universität könne zum „Grab der physischen und moralischen Gesundheit hoffnungsvoller Jünglinge“ werden, durchaus nachvollziehbar.

In ihrer Rolle als Wirtschaftspaar übernahmen die Professoren- und Privatdozentenehepaare nicht nur Verantwortung für die häusliche Versorgung, sondern auch für die Erziehung der oft noch sehr jungen Studenten[7], indem sie für die Dauer des Studiums stellvertretend die Stelle des jeweiligen Elternteils einnahmen. In der bisherigen Forschung wurde die Arbeit der Ehefrauen der Professoren, der zeitgenössisch so genannten Professorin nur wenig in den Blick genommen . Die Befunde zeigen aber, dass sie bei der Aufnahme von Studenten in den Professorenhaushalt eine wesentlich Rolle spielte. Beide Elternteile der Studenten wurden am Studienort in ihren jeweiligen Rollen durch das Professorenpaar vertreten. Somit beeinflussten die Professorenhaushalte die sittliche Erziehung der Studenten[8] und reglementierten auch den studentischen Lebenswandel.

Zwischen pädagogischem Idealismus und finanziellem Realismus – Dramaturgie des Scheiterns

Grundsätzlich hatten aus dem von pädagogischen Ideen der Aufklärung geprägte Konzept des Erziehungsinstituts auch positive Impulse zur Lösung der gravierenden Probleme der Marburger Universität Ende des 18. Jahrhunderts hervorgehen können. Bedingt durch die Gründung der Göttinger Universität war die Zahl der Studenten in Marburg deutlich gesunken. Durch den fehlenden studentischen Konsum hatte sich die ökonomische Lage der Stadtbevölkerung deutlich verschlechtert, was zu massiven Klagen führte. Mit der Schließung des Collegium Carolinum[9] in Kassel, dem Bau des Botanischen Gartens oder Gründung naturwissenschaftlicher Institute ab 1786 begann eine inhaltliche Neuausrichtung, die wieder mehr Studenten nach Marburg ziehen sollte. Zwar gab es das seit der Gründung der Universität bestehende und mit ihr verbundene Pädagogium als Ort universitätsvorbereitender Bildung, Reformen fanden allerdings erst zehn Jahre später statt.

Das Konzept des Instituts, Vorteile von Privat- und öffentlicher Erziehung zu verbinden, einen fließenden Übergang zur Universität zu leisten, reale Bildungsinhalte und wissenschaftliche Bildung zu verknüpfen, mit besonderem Augenmerk auf neue Fachrichtungen sowie die erzieherische Begleitung auch künftiger Studenten hätte hier gute Ansätze geliefert, um die Bemühungen der Universität um Neuausrichtung und Erhöhung der Immatrikulationszahlen auch schon im Bereich der Studienvorbereitung, beispielsweise durch eine Reform des Pädagogiums zu fördern.

Warum das Creuzersche Erziehungsinstitut sich nicht etablieren konnte, war abhängig von zwei zentralen Faktoren: der unzureichenden finanziellen Grundlage und dem familiären Miteinander. Das Erziehungsinstitut sollte ein sichere Einkommensquelle für die beiden Familien werden. Allerdings beschreibt Friedrich Creuzer in Briefen an seinen Freund Friedrich Carl von Savigny immer wieder die prekäre Finanzsituation. Versprochene, aber noch ausstehende Zahlungen für den Besuch des Instituts brachten die Familien in Schwierigkeiten, so dass sie sich Geld zur Bestreitung ihrer alltäglichen Ausgaben leihen mussten. Friedrich Creuzer bat Savigny mehrfach um Geld, indem er formulierte: „Uebrigens befinden wir uns […] in einem ökonomischen Gedränge, aus dem wir keine andere Erlösung von der Hand wissen, als durch Hilfe von Ihnen.“ . Es dürften jeweils nicht mehr als zwei oder drei Schüler gewesen sein, die in den Haushalten der Creuzers lebten. Vermutlich war die Aufnahme von mehr Schülern in den jeweiligen Wohnungen der Familien nicht umsetzbar. Um ihr Institut wirtschaftlich betreiben zu können, strebten die Vettern dringend eine Vergrößerung des Instituts an. Dazu sollte ein gemeinsames Haus gekauft werden, das künftig von beiden Familien bewohnt werden sollte.

Der zweite relevante Faktor war das familiäre Miteinander. Die Vettern hatten seit ihrer Studienzeit ein äußerst enges Verhältnis. Die gemeinsame Gründung eines Erziehungsinstituts erfolgte nicht nur aus ökonomischen Notwendigkeiten, sondern mindestens ebenso aus pädagogischem Interesse. Aus Briefen der Vettern wird deutlich, dass ihr gemeinsames Arbeiten äußerst harmonisch und reibungslos verlief. Eine wesentliche Rolle im Konzept des Erziehungsinstitutes spielten aber auch die Ehefrauen Charlotte und Sophie Creuzer. Nur mit ihnen konnte die von Friedrich Creuzer so bezeichnete „Gründung des Familienvereins“ erfolgreich werden. Jedoch verlief die Entwicklung anders als gedacht. Friedrich Creuzer berichtete Savigny: „Sondern etwas, worauf wir sicher gerechnet hatten, ist nicht eingetreten. Jene Vereinigung der weiblichen Herzen zur Einheit des Wollens und Wirkens“ . Der gemeinsame Erwerb eines Hauses scheiterte letztlich nicht nur am begrenzten Angebot an Häusern in Marburg, sondern auch an der fehlenden Zustimmung der Ehefrauen. Charlotte und Sophie Creuzer wollten offenbar nicht in ein gemeinsames Haus ziehen und dort gemeinsam mit ihren Ehemännern das Institut betreiben. Ein Grund dafür dürfte ihr deutlicher Altersunterschied von knapp 20 Jahren in Verbindung mit ihren unterschiedlichen Lebensphasen gewesen sein. Sophie Creuzer brachte zwei halbwüchsige Kinder mit in die Ehe, die kinderlos blieb, während für Charlotte Creuzer erst die Familienphase begann.

Wie lange das Institut bestand und wann genau die Auflösung erfolgte, lässt sich aufgrund fehlender Quellen nicht genau ermitteln.[10] Die Auflösung war der absehbare Schritt aus dem Dilemma, dass das Institut nur mit mehr Schülern wirtschaftlich war, dafür aber ein gemeinsames Haus hätte erworben werden müssen, wofür die Zustimmung der Ehefrauen fehlte. Letztlich besserte sich die ökonomische Situation der Familien unabhängig vom Erziehungsinstitut schrittweise. Leonhard Creuzer bekleidete seit 1801 eine Pfarrstelle in Marburg und erhielt 1803 eine ordentliche Professur an der Universität. Sein Vetter wurde ab 1800 außerordentlicher, ab 1802 ordentlicher Professor. Allerdings war die Besoldung für Friedrich Creuzer vergleichsweise gering, so dass er 1804 Marburg verließ und einen Ruf nach Heidelberg auf eine deutlich besser besoldete Stelle annahm.

War die Gründung des Erziehungsinstituts also nur eine Zwischenstation auf dem Karriereweg der Vettern? Der Entschluss, ein Erziehungsinstitut zu eröffnen, war gut überlegt. Die Vettern Creuzer hatten ein Konzept erstellt und dieses als Druck veröffentlicht. Maßgeblich beeinflusst wurde die Konzeption von einer aufklärerisch geprägten Pädagogik und innovativen Überlegungen. Dass das Unternehmen scheiterte, lag nicht an dem dahintersteckenden pädagogischen Idealismus. Vielmehr darf angenommen werden, dass die unzureichenden finanziellen Rücklagen[11] der Vettern sich als problematisch erwiesen, da sie die zunächst geringen Schülerzahlen nicht kompensieren konnten. Um das Familienunternehmen wirtschaftlich betreiben zu können, hätten beide Ehepaare gemeinsam und engagiert mitwirken müssen. Diese fehlende „Gründung eines Familienvereins“ war ein Grund, warum das Erziehungsinstitut eine vorübergehende Einrichtung blieb. Dass es keine Nachahmer fand, war auch durch die Entwicklung des Bildungssystems weg von einem durch Hauslehrer geprägten privaten Unterricht hin zu einem flächendeckenden, differenzierten Angebot an Schulbildung mit einer verbindlichen Zugangsvoraussetzung zu Universitäten bedingt.

In ihrem weiteren Berufswegen blieben die Vettern aber beide pädagogisch stark engagiert: Leonhard Creuzer mit seinem Engagement zum Aufbau einer Industrie-Freischule und als Professor in Marburg, Friedrich Creuzer als Begründer des philologisch-pädagogischen Seminars an der Heidelberger Universität.[12]

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Vgl. „Creuzer, Christoph Andreas Leonhard“, in: Professorenkatalog der Philipps-Universität Marburg (Abruf: 20.9.2021)
2 Vgl. „Creuzer, Georg Friedrich“, in: Professorenkatalog der Philipps-Universität Marburg (Abruf: 15.4.2021)
3 Vgl. „Hauff, Johann Carl Friedrich“, in: Professorenkatalog der Philipps-Universität Marburg (Abruf: 15.4.2021)
4 Zur Personengruppe der Privatdozenten, den rechtlichen Bestimmungen, Karrierewegen und ökonomischen Verhältnissen legte eine umfangreiche Untersuchung am Beispiel der Situation an der Universität Göttingen vor.
5 Für eine gute Entwicklung der Schüler sahen die Creuzers eine Erziehung zu Reinlichkeit/Hygiene, aber auch maßvolles Essen (Diät) und Bewegung im Rahmen der körperlichen Erziehung als notwendig an.
6 Die Marburger Universität war den Statuten nach reformiert, die überwiegende Mehrheit der Marburger Bevölkerung hingegen – wie auch die Creuzers – lutherisch. Auch Ende des 18. Jh. spielte dies z.B. bei Besetzungsfragen von Professuren noch eine Rolle. Religionsunterricht am Erziehungsinstitut sollte auf Grundlage konfessioneller Gemeinsamkeiten des Christentums, wie der Humanität, erfolgen. Konfessionsspezifische Inhalte legten die Creuzers in die Hände der jeweiligen Geistlichen im Zuge der möglichen Konfirmation.
7 Ein Studienbeginn war Ende des 18. Jahrhunderts bereits mit 14 oder 15 Jahren möglich.
8 Vandermeersch hingegen sieht diese Aufgabe im Aufgabenbereich des Professors.
9 Landgraf Carl gründete das Collegium Carolinum 1709 in Kassel mit der Absicht, angehende Studenten in einem zweijährigen vorbereitenden Bildungsgang grundlegende Kenntnisse Anatomie, Mathematik und Physik zu vermitteln. 1738 wurde das Collegium zu einer Ausbildungsstätte für Militärchirurgen erweitert und ab den 1760er Jahren universitätsähnlich ausgebaut. Aufgrund der geringen Studentenzahlen wurde es 1786 geschlossen und die Professoren an die Universität Marburg versetzt.
10 Das Erziehungsinstitut existierte 1802 noch. Eine Auflösung dürfte spätestens 1804 mit dem Weggang Friedrich Creuzers nach Heidelberg erfolgt sein.
11 Neben dem Erziehungsinstitut der Creuzers scheiterte auch das von Johann Heinrich Pestalozzi an mangelnder Finanzausstattung und möglicherweise auch fehlendem Geschäftssinn der Gründer. Vgl. hierzu .
12 Creuzer publizierte auch seinen konzeptionellen Vorstellungen der Lehrerbildung (vgl. ).

Quellen und Literatur

Zur Zotero Library

Crede, Heinrich (1809): Ueber die Verbindung der Gymnasien mit Realschulen: in einer Darstellung des Pädagogiums zu Marburg. Marburg: Akademische Buchhandlung. URL: https://opacplus.bsb-muenchen.de/Vta2/bsb10764471/bsb:BV001698229?page=5 (Abruf 08.02.2022). Cite
Creuzer, Friedrich (1807): Das akademische Studium des Alterthums : Nebst einem Plane der humanistischen Vorlesungen und des philologischen Seminarium auf der Universität zu Heidelberg. Heidelberg: Mohr und Zimmer. URL: urn:nbn:de:bvb:12-bsb11234783-2 (Abruf 08.02.2022). Cite
Creuzer, Friedrich/Creuzer, Leonard (1794): Plan zu einer neuen Erziehungsanstalt, welche mit dem Monat May 1794 in Marburg eröfnet werden soll. Marburg: Neue academische Buchdruckerey. URL: http://idb.ub.uni-tuebingen.de/opendigi/AhII26#p=1. Cite
Creuzer, Friedrich/Creuzer, Leonard (1800): Nützliche Anstalten und Vorschläge: Bildungsanstalt junger Leute. In: Kaiserlich privilegirter Reichs-Anzeiger, 17.01.1800, S. 181–183. URL: https://mdz-nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb10530487-8 (Abruf 08.02.2022). Cite
Dahlmann, Hellfreid/Schnack, Ingeborg (Hrsg.) (1972): Briefe Friedrich Creuzers an Savigny. 1799-1850. Berlin: E. Schmidt. Cite
Koerrenz, Ralf/Kenklies, Karsten/Kauhaus, Hanna/Schwarzkopf, Matthias (2017): Geschichte der Pädagogik. Paderborn: Verlag Ferdinand Schöningh. Cite
Stichweh, Rudolf (1994): Differenzierung von Schule und Universität im 18. und 19. Jahrhundert. In: (1994): Wissenschaft, Universität, Professionen: soziologische Analysen. 1. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 193–206. Cite
Tütken, Hans (2005): Privatdozenten im Schatten der Georgia Augusta. 1: Statutenrecht und Alltagspraxis. Göttingen: Univ.-Verl. URL: https://doi.org/10.17875/gup2005-493. Cite
Vandermeersch, P (1996): Die Universitätslehrer. In: Rüegg, Walter (Hrsg.) (1996): Geschichte der Universität in Europa. 2: Von der Reformation zur Französischen Revolution (1500 - 1800). München: Beck, S. 181–212. Cite
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Wunder, Heide (1992): „Er ist die Sonn, sie ist der Mond“: Frauen in der frühen Neuzeit. München: Beck. Cite
Wunder, Heide (2011): Die Professorin als Universitätsbürgerin. In: Schmidt-Glintzer, Helwig (Hrsg.) (2011): Die Reformuniversität Helmstedt 1576 - 1810: Vorträge zur Ausstellung „Das Athen der Welfen“. Wiesbaden: Harrassowitz. Cite